Die Portfolio-Analyse ist ein Instrument mit Hilfe dessen sogenannte strategische Geschäftsfelder (SGF)/-bereiche eines Unternehmens analysiert werden. Hierzu werden zwei Faktoren – Marktwachstum und der relative Marktanteil – für jedes Geschäftsfeld betrachtet. Aus den Ergebnissen können dann passende Strategien für die einzelnen Geschäftsfelder abgeleitet werden. Die Methode zur Einteilung wurde in den 70er Jahren von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) entwickelt und wird daher auch oft BCG-Matrix genannt. Die Portfolio-Analyse gehört in kaufmännischen Weiterbildungen in den Fächern Marketing und/oder Unternehmensführung in der Regel zum Standardwissen.
Wozu braucht man eine Portfolio-Analyse?
- die einzelnen strategischen Geschäftsfelder,
- das Marktwachstum,
- der relative Marktanteil,
- der Umsatz des SGF.
Strategische Geschäftsfelder:
Ein Unternehmen mit mehreren in sich unterschiedlichen Angeboten bildet in der Regel strategische Geschäftsfelder. Kriterien für die Bildung sind u.a., dass
- unterschiedliche Märkte und/oder Kundengruppen angesprochen werden,
- die SGF unabhängig voneinander sind, eine eigene Organisation haben (strategische Geschäftseinheiten – SGE) und
- die Produkte klar einem SGF zugeordnet sind.
Der Vorteil ist dabei, dass jede SGF eine spezielle Lösung für eine spezielle Kundengruppe bieten kann und dadurch auch leichter Wettbewerbsvorteile entstehen können. Durch die Abgrenzung ist der Wettbewerb und die Marktsituation klar umrissen und passende Strategien für die SGF können darauf abgestimmt werden. Das Unternehmen Siemens bspw. ist auf einer Vielzahl von Märkten aktiv und bietet von Antriebstechnik über Gebäudetechnik bis hin zu Automatisierung und Angebote für Privatkunden unterschiedliche Lösungen für unterschiedliche Kundengruppen an. Aber auch Automobilkonzerne bearbeiten unterschiedliche Geschäftsfelder: Premium, Mittelklasse, Familien, Kleinwagen, Lkw, Motorsport usw.
Je nachdem auf welcher Ebene die Durchführung einer Portfolio-Analyse angewandt wird, können wiederum Teilsegmente eines SGF, in Konzernen die untergeordneten Unternehmen, auf internationaler Ebene Länder oder auch einzelne Produkte betrachtet werden. Das Grundprinzip bleibt dabei immer das gleiche.
Marktwachstum:
Vergrößert sich der Absatz/Umsatz innerhalb eines Marktes gegenüber der betrachteten Vorperiode (Jahr, Quartal…) spricht man vom Marktwachstum. Die Größe wird dabei in Prozent angegeben. Bspw. ging das Marktwachstum für Smartphones im Jahr 2020 um 6,7 % zurück gegenüber 2019. Das Marktwachstum steht auch für die Attraktivität eines Marktes. Bitte beachten: Das Marktwachstum kann auch negativ sein. Dies ist später bei der grafischen Darstellung zu berücksichtigen. Sollte bei einer Prüfung das Marktwachstum nicht angegeben sein, so kann es wie nachstehend berechnet werden:
Marktwachstum = (Veränderung Marktvolumen/Marktvolumen der Vorperiode) *100
Marktvolumen 2019 = 4,5 Mrd. Euro
Marktvolumen 2020 = 5,0 Mrd. Euro
Marktwachstum = 0,5 Mrd. Euro/4,5 Mrd. Euro = 0,11 * 100 = 11 %
Prognostiziertes Marktwachstum: (geschätzte Veränderung Marktvolumen/Marktvolumen der aktuellen Periode) *100
Marktvolumen aktuelles Jahr = 2,5 Mrd. Euro
Marktvolumen kommendes Jahr = 3,2 Mrd. Euro
Marktwachstum prognostiziert = 0,7 Mrd. Euro/2,5 Mrd. Euro = 0,28*100 = 28 %
Das Marktvolumen ist dabei der Umsatz/Absatz aller Anbieter einer Branche.
Der relative Marktanteil:
Im Gegensatz zum absoluten Marktanteil, der den Anteil eines Unternehmens am gesamten Marktvolumen zeigt, setzt der relative Marktanteil den eigenen Marktanteil ins Verhältnis zum stärksten Wettbewerber.
Absoluter Marktanteil des eigenen Unternehmens = 15%
Absoluter Marktanteil der größten Konkurrenten = 21%
Eigener relativer Marktanteil = 15%/21% = 0,71*100 = 71%
In diesem Fall ist das eigene Unternehmen nicht der Marktführer, da der Wert < 1 (100%) ist.
Der Umsatz der SGF:
Die Größe des Kreises spiegelt den erzielten Umsatz der einzelnen SGF am Gesamtumsatz aller SGF wider.
Sind diese vier Elemente bekannt, kann die Portfolio-Analyse nun erstellt und grafisch umgesetzt werden:
Für jede Position einer SGF ergeben sich nun sogenannte „Normstrategien“, die üblicherweise zu Anwendung kommen sollten. Allerdings darf das nicht ungeprüft geschehen, sondern immer im Zusammenhang mit einer kritischen Betrachtung hinsichtlich der Marktsituation und den Unternehmenszielen. Die Normstrategien geben einen Anhaltspunkt, ersetzen aber nicht die Abwägung und Entscheidung durch das Management.
Die einzelnene Quadranten:
Im Bereich der „Question Marks“ (Fragezeichen) sieht man ein starkes Marktwachstum. Der Markt ist also durchaus attraktiv. Andererseits sind die Absatzzahlen noch gering, der relative Marktanteil ist < 1 und damit ist ein anderes Unternehmen der Marktführer. Wie die Bezeichnung „Fragezeichen“ ausdrückt, ist nicht absehbar, ob sich die SGF oder das Produkt zum „Star“ entwickelt oder ein Flopp wird. Im Produktlebenszyklus wäre dieser Status vergleichbar mit der Einführungsphase. SGF in dieser Position haben einen hohen Investitionsbedarf, um die derzeitig schwache Marktstellung zu verbessern. Die erwirtschafteten Umsätze innerhalb des SGF reichen nicht aus, um die weitere Entwicklung selbst zu finanzieren. Sie haben einen negativen Cash-Flow.
Andererseits ist es nicht sicher, dass das Engagement auch dazu führt, dass ein neuer „Star“ geboren wird. SGF in diesem Quadranten müssen genau beobachtet werden. Es besteht also ein hohes Risiko, das allerdings in Kauf genommen werden muss, da ein Unternehmen auch neue Produkte auf den Markt bringen muss, die das Potenzial haben, ein zukünftiger „Star“ zu werden. Je nach Entwicklung bieten sich eine Investitions- oder Rückzugsstrategie an (Selektionsstrategie).
„Stars“ sind die SGF, die in einem Markt mit hohen Wachstumsraten positioniert sind. Der relative Marktanteil liegt über 1, daher sind diese Felder der Marktführer. Die strategischen Optionen sind hier „Halten“ oder „Ausbauen“. Die derzeitige gute Marktposition soll gegenüber dem Wettbewerb zumindest gehalten, idealerweise noch ausgebaut werden. Durch Investitionen in Produktverbesserungen, Kommunikation oder Vertrieb besteht ein hoher Bedarf an Finanzmitteln bei den „Stars“ (Investitionsstrategie). Durch die stabilen und wachsenden Verkäufe kann sich das SGF meist selbst finanzieren und der Gewinn ist hoch. Der Cash-Flow ist positiv bzw. ausgeglichen. Ist der Konkurrenzkampf hart, kann das dazu führen, dass sich der Cash-Flow auch leicht negativ entwickelt, da viel Geld gebraucht wird, um sich gegen die Angriffe des Wettbewerbs zu verteidigen. Im Produktlebenszyklus entspräche diese Position der Wachstumsphase.
Die „Cash-Cows“ sorgen, wie der Name schon sagt, für die nötigen Finanzmittel, um bspw. in „Fragezeichen“ und „Stars“ zu investieren. Der relative Marktanteil ist hoch, allerdings lässt das Marktwachstum nach oder ist möglichweise auch schon negativ. Der Produktlebenszyklus ist in der Reife- oder Sättigungsphase angelangt. SGF in diesem Quadranten werden „gemolken“. D.h. es wird eine Abschöpfungsstrategie empfohlen, da kaum mehr Investitionen in dieses SGF getätigt werden müssen. Natürlich wird man versuchen, diese Position so lange zu halten, wie es möglich ist. Denn die Gewinne und der Cash-Flow sind hoch. Dabei wird eher nach Möglichkeiten der Kostenoptimierung gesucht, um den Gewinn weiter zu steigern.
Und zuletzt bleiben die „Poor Dogs“. Diese Position ist gekennzeichnet von einem geringen Marktwachstum und einem geringen relativen Marktanteil. Je nach der tatsächlichen Situation, können diese SGF ohne größere Investitionen noch eine Weile auf dem Markt bleiben, bis der Cash-Flow negativ wird. Werden keine Gewinne mehr erzielt, wird das Produkt vom Markt genommen (Desinvestitionsstrategie). Die „Poor Dogs“ befinden sich in der Rückgangs-/Degenerationsphase des Produktlebenszyklus.
Mitunter kann es auch sinnvoll sein, das SGF unter Beobachtung des Wettbewerbs auf dem Markt zu halten. Zieht sich der Wettbewerb aus dem Markt zurück, könnte selbst ein „Poor Dog“ noch einmal eine Chance erhalten, indem er die freiwerdenden Marktanteile übernimmt. Vielleicht sprechen auch strategische Gründe gegen eine Produktbereinigung bspw., wenn durch diese Produktgruppen der Einstieg in das weitere Angebot des Unternehmens gefördert wird, das Image des Unternehmens mit dem Geschäftsfeld verbunden ist oder schlicht, weil man dem Kunden „alles“ bieten möchte.
Die Anwendung der Portfolio-Analyse soll insbesondere zeigen:
- ob die Balance der SGF innerhalb der Quadranten ausgewogen ist. D.h. auch genügend erfolgversprechende Produktentwicklungen vorhanden sind. Dies ist für die langfristige Planung von zentraler Bedeutung, da so Risiken und Chancen in der Position und Entwicklung der einzelnen SGF abgeleitet werden können.
- wo finanzielle Mittel generiert werden können und in welche SGF diese geleitet werden. Es können also Aussagen zur Herkunft und Verwendung von Kapital gemacht und für einen sinnvollen Ausgleich gesorgt werden.
- welche Strategien grundsätzlich für die einzelnen strategischen Geschäftsfelder anzuwenden sind (Normstrategien).
- wie sich SGF im Zeitverlauf entwickeln und deren gewünschte Position in einem Ziel-Portfolio.
Kritisch wird bei der Portfolio-Analyse gesehen, dass,
- nur zwei Dimensionen zur Einteilung verwendet werden. Die Beurteilung eines SGF hängt von vielen Faktoren und Kriterien ab, nicht nur vom Marktwachstum und dem relativen Marktanteil (Mehrfaktorenkonzept).
- die Normstrategien zu wenig individuell sind; eher allgemeine Empfehlungen als Handlungsempfehlungen für eine spezielle Unternehmenssituation. Die Folge daraus sei dann, dass die Entscheider diese allgemeine Strategie übernehmen, ohne diese ausreichend auf die individuelle Konstellation anzupassen.
- zwangsweise SGF definiert werden müssen, die unabhängig voneinander agieren. Dabei können sich durchaus Synergien oder Situationen ergeben, in denen bspw. ein „Poor Dog“ die Entwicklung eines „Fragezeichens“ oder eines „Stars“ unterstützt. Bestehende Beziehungen werden bei den Normstrategien nicht ausreichend berücksichtigt.
Somit bietet die Portfolio-Analyse eine nachvollziehbare und übersichtliche Visualisierung der Gesamtsituation und bietet anhand der Normstrategien die Basis für weitergehende strategische Betrachtungen und Entscheidungen.
Die 9-Felder-Matrix nach McKinsey:
Die Kritik versucht die 9-Felder-Martix von McKinsey aufzuheben, indem sie zusätzliche Faktoren und Variablen in der Bewertung berücksichtigt (Mehrfaktorenkonzept). Die Marktattraktivität ( = Marktwachstum in der 4-Felder-Matrix) wird durch mehrere Faktoren beeinflusst. U.a.:
- Marktwachstum, -potenzial und -größe,
- Rentabilität, Wettbewerbssituation, Kundenstruktur
- Verfügbarkeit von Fachkräften, Lieferantensituation, IT
- Rahmenbedingungen wie bspw. Wirtschaftswachstum, Gesetzgebung
Der relative Wettbewerbsvorteil ( = relativer Marktanteil in der 4-Felder-Matrix) spiegelt sich u.a. durch die folgenden Faktoren und Variablen ab:
- Marktanteil, finanzielle Möglichkeiten des Unternehmens, Positionierung,
- Vertriebssituation, Standort, Organisation und Prozesse,
- Struktur und Qualifikation der Mitarbeiter
- Innovationsstärke, Produktentwicklung, Forschung.
Durch die Einteilung in die Werte niedrig, mittel und hoch ergeben sich nun 9 Felder für die Positionierung der strategischen Geschäftsfelder. Je nachdem welche Position ein Geschäftsfeld innerhalb der Matrix einnimmt, werden verschiedene Normastrategien empfohlen.
- Investitions- und Wachstumsstrategien für die drei Felder links von der Diagonalen,
- Abschöpfungs- und Desinvestitionsstrategien für die drei Felder rechts der Diagonalen und
- selektive Strategien für die drei Felder entlang der Diagonalen.
Durch die Einbeziehung mehrerer Faktoren soll ein differenzierteres Bild über die tatsächliche Situation entstehen. Dadurch wird die Erstellung des Portfolios aber auch aufwendiger. Probleme, die dabei auftreten können, sind bspw. die Auswahl der relevanten Kriterien, deren Ausprägung, die Bewertung und Gewichtung und damit verbunden die subjektive Sichtweise der Beurteiler.
Auch die 9-Felder-Matrix von McKinsey ist übrigens eine Portfolio-Analyse. Denn eigentlich ist der Begriff „Portfolio-Analyse“ ein Überbegriff für eine bestimmte Methode.